Valentin Traudt
„Die ganze Welt ist Wonne,
ist Duft und goldner Schein.
Die ganze Welt ist Sonne,
und diese Welt ist – dein.“
„Die ganze Welt ist Wonne,
ist Duft und goldner Schein.
Die ganze Welt ist Sonne,
und diese Welt ist – dein.“
Valentin Traudt wird am 23. Juli 1864 in Fulda geboren. Seine Vorfahren sind Zimmerleute und Bauern, er hat eine Schwester. Nachdem die Eltern gestorben sind, wird der sechsjährige Valentin von einem Onkel in Hanau aufgenommen.
Nach dem Besuch der Bürgerschule soll der 14jährige Zimmermann werden. Die Ausbildung bricht er jedoch ab und beginnt – ohne Erfolg – eine kaufmännische Lehre. Erst beim dritten Anlauf kommt er zu dem Beruf, der seinen Fähigkeiten entspricht: Er lässt sich am Lehrerseminar in Hanau (später in Schlüchtern) 6 Jahre lang zum Volksschullehrer ausbilden.

Der Beruf ist anspruchsvoll und umfasst viele verschiedene Aspekte der Bildung und Erziehung. Hauptaufgabe ist der Unterricht in verschiedenen Fächern wie Lesen, Schreiben, Rechnen, Geschichte, Geographie und Naturkunde. Auch Zeichnen, Musik, Religion und Turnen stehen auf dem Unterrichtsplan. Darüber hinaus sollen Lehrer den Kindern Werte wie Disziplin, Fleiß und Respekt vor Autoritäten vermitteln.
Valentin Traudt fällt der Lernstoff nicht schwer. Er liest auch in der Freizeit und begeistert sich für Werke wie Schillers „Räuber“ oder „Götz von Berlichingen“, die damals als aufmüpfig gelten. Gleichzeitig ist er sehr sportlich. In den Ferien wandert er einmal 185 Kilometer, um sich Schillers Geburtsort Marbach anzuschauen.
Valentin Traudt beginnt seine Lehrtätigkeit im Jahr 1885 an der Evangelischen Volksschule in Rauschenberg, die über drei Klassenstufen verfügt. In seiner neuen Rolle unterrichtet er gleichzeitig 57 Kinder in 20 Unterrichtsstunden pro Woche. Neben seiner Lehrtätigkeit unternimmt er Fahrradtouren, verfasst Gedichte und Erzählungen für das Marburger Tageblatt und dirigiert den Rauschenberger Männerchor.

Im Jahr 1890, als Valentin Traudt 25 Jahre alt ist, heiratet er Berta Urspruch, die aus Korbach stammt. Ein Jahr später kommt ihr Sohn Ludwig zur Welt. Bertha Traudt erholt sich nicht von der Geburt und stirbt acht Monate später an Kindbettfieber. Noch im gleichen Jahr verfasst Valentin Traudt die Romane „Seelenliebe“ und „Bergheimer Mädel“ und eine Erzählung mit dem Titel Unter der Schullinde“.

Vor ihrem Tod hat Bertha Traudt ihrem Mann das Versprechen abgenommen, ihre jüngere Schwester Mina zu heiraten. Valentin Traudt kommt diesem Wunsch nach, und so heiraten er und Mina im Jahr 1893. Die junge Familie lebt in einer bescheidenen Lehrerwohnung im Schulhaus. Valentin Traudt verdient jährlich 1.176 Mark, wobei die Kosten für die Unterkunft bereits berücksichtigt sind; darin sind auch 60 Mark und 45 Pfennige für seine Kirchendienste enthalten.

1894 erscheint sein „Hessisches Dichterbuch“, das ein Jahr später in zweiter Auflage erscheint und 1901 unter seinem Namen in dritter Auflage weitergeführt wird. In diesem Band sind alle damals bekannten hessischen Lyriker mit ihren Gedichten vertreten.
Ebenfalls 1901 erscheint Traudts Roman „Leute vom Burgwald“, der ihn als Schriftsteller bekannt macht. Das Buch wird in Marburg gedruckt und ist von dem Künstler Otto Ubbelohde illustriert.

Trotz seiner Erfolge ist der freigeistige junge Pädagoge den Pfarrern und Schulinspektoren ein Dorn im Auge. Zwar gelingt es ihnen nicht, ihn aus seinem Amt zu drängen, aber es werden ihm Vertretungsstunden im benachbarten Burgholz aufgebrummt, für die er kaum eine angemessene Vergütung erhält. Angesichts dieser Umstände ist es nachvollziehbar, dass Valentin Traudt sich 1902 um eine Stelle in Kassel bewirbt.
Lokalschulinspektor Pfarrer Klein schreibt:
„Wenn er auch als ein Hauptvertreter der freieren Richtung in den diesseitigen Lehrerkreisen gilt, muss ihm doch bezeugt werden, dass er jederzeit und mit Eifer und Treu und darum auch mit gutem Erfolg bestrebt ist. Er ist in ganz besonderem Grade beanlagt, mit den Kleinen, welche ihm auch von Herzen zugethan sind, zu verkehren.“
Sein Versetzungsgesuch hat Erfolg, Valentin Traudt wechselt nach Rothenditmold, zu dieser Zeit noch ein eigenständiges Dorf, das erst 1906 in Kassel eingemeindet wird. Unweit vom Hauptbahnhof gelegen, ist Rothenditmold seit 1848 rapide gewachsen. Neben einer Maschinen- und einer Wagonfabrik gibt es eine Spinnerei und eine Brauerei. Von 1871 bis 1905 hat sich sich die Einwohnerzahl auf 5250 vervierfacht. Das Schulhaus ist brandneu, erst im April 1901 sind Hauptgebäude und Turnhalle eingeweiht worden.

In Rothenditmold unterrichtet Valentin Traudt nicht nur an der Schule, sondern ist auch an der Ausbildung von Kindergärtnerinnen beteiligt. Diese erfolgt nach den von Friedrich Fröbel aufgestellten Grundprinzipien: Kinder lernen durch Spiel, nicht durch Belehrungen. Sie brauchen Spielmaterialien, die ihrem Alter, ihren Interessen und ihrem Entwicklungsstand entsprechen. Kinder lernen mit und von einander. Erst in der Gemeinschaft entfalten sie ihr gesamtes Entwicklungspotenzial.

1908 wird Valentin Traudts zweiter Sohn Theodor geboren. Neben seinen vielen Verpflichtungen erscheintTraudt regelmäßig beim Raberschen Stammtisch. Diese nach dem Schriftsteller Hermann Rabe benannten Zusammenkünfte spielen eine wichtige Rolle für den kulturellen Austausch in Kassel. Die Teilnehmer diskutierten nicht nur lokale Themen, sondern auch überregionale und internationale Entwicklungen. Außerdem steht Valentin Traudt im Briefwechsel mit Albert Schweitzer und dem Philosophen Richard Avenarius.

1913 feiert die Stadt Kassel, damals noch mit C geschrieben, ihr 1000jähriges Bestehen. Valentin Traudt verfasst den Text zur Festhymne „Chasalla Weihelied“. Nebenbei findet er noch Zeit, Romane zu schreiben. In den folgenden Jahren erscheinen „Ein Liebestraum“, „Kraft der Tiefe“ und „Die Steinfeldbauern“.

1916 macht Valentin Traudt zum ersten Mal Erfahrung mit der Zensur. Sein Roman „Die Winkelbürger“ wird verboten, weil darin angeblich „die Zermürbung der Heimat“ geschildert wird. Nach dem 1. Weltkrieg tritt Er in die SPD ein, wird Stadtverordneter im Parlament und Mitglied des Magistrats Kassel.

Bis ins hohe Alter ist Valentin Traudt begeisterter Wanderer und Mitglied im Verein der Naturfreunde. Beim Bau des Naturfreundehaus am Steinberg hilft er, Steine zu brechen und an die Baustelle zu karren. Bis zur Schließung des Naturfreundehauses 2012 gibt es dort ein Valentin-Traudt-Zimmer mit einem von Paul Schminke gemalten Portrait.

Zu seinem eigenen 60. Geburtstag 1924 erscheinen noch viele Gratulationen und Würdigungen in der Presse. Dann wird es ruhiger um Valentin Traudt. 1932 zieht er sich aus allen politischen Ämtern zurück. Schon früh hat er sich gegen die Nationalsozialisten positioniert und 1931 im Kalender „Zwischen Weser und Main“ einen Beitrag mit dem Titel „Herrenmenschen-Hundeseelen“ veröffentlicht. Darin schreibt er: „Wer ein Volk durch Gewalt zu Nachfolge zwingt, verachtet im Nebenmenschen den Menschen.“

Bei der Bombardierung von Kassel im Oktober 1943 verlieren der inzwischen 79-jährige Valentin Traudt und seine Frau Mina alles: Ihre Wohnung, Valentin Traudts Aufzeichnungen und seine unveröffentlichten Schriften (er schrieb 19 Romane, von denen 14 veröffentlicht wurden) sowie sämtliche Briefe und Fotos. Das muss ihn schwer getroffen haben. Mit seiner Frau Mina zieht er nach Flechtdorf in der Nähe von Korbach.

Das zerstörte Schulgebäude
Nach Kriegsende 1945 ist er wieder aktiv und hält Vorträge, zum Beispiel 1947 beim Kasseler Stadtjugendring. Seine Gedichte werden in der Zeitung gedruckt, und es erscheinen seine beiden letzten Romane: „Jahre der Schmach“, in dem er mit der Nazizeit abrechnet, und 1948 „Starke Herzen“.

Am 15.3.1950 stirbt Valentin Traudt im 86. Lebensjahr. Seine Urne wird in Rauschenberg im Grab seiner ersten Frau Bertha beigesetzt. Zwei Jahre später stirbt auch Mina Traudt und wird an der gleichen Stelle beerdigt.

Foto: Uli Vinschen
Die Naturfreunde halten die Erinnerung an Valentin Traudt wach und besuchen in regelmäßigen Abständen seine Grabstätte in Rauschenberg. Zu seinem 70. Todestag am 15. März 2020 legten sie sieben rote Nelken auf seinem Grab nieder.

Foto: Uli Vinschen
Auch 75. Jahre nach seinem Tod ist Valentin Traudt überall in unserer Schule präsent. Im alten Schulhaus und im Zimmer der Schulleitung hängen viele Fotos, die ihn in unterschiedlichen Lebensaltern zeigen. Auch in unserem Schulsong „Valentin traut sich was“ wirkt sein fortschrittlicher Geist bis heute weiter.

Valentin-Traudt-Schule
Wolfhager Straße 174-176
34127 Kassel
